Artikelserie 150 Jahre Eisenbahn in Deutschland

Nachfolgend ist auf dieser Seite eine vierteilige Artikelserie zu lesen, die ich aus Anlaß des Jubiläums für die im Raw Berlin-Schöneweide erscheinende Betriebszeitung "Der S-Bahn-Funke" im Frühjahr 1985 verfasst hatte:

 

150 Jahre Deutsche Eisenbahnen

40 Jahre Eisenbahn in Volkes Hand

 

01 DIE ANFÄNGE

Bereits um die Mitte der zwanziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts entstanden in den damaligen deutschen Kleinstaaten die ersten Pferdeeisenbahnen als Vorläufer der später mit Dampfkraft betriebenen Eisenbahnen. Auf Veranlassung Friedrich Harkorts bildete sich bereits im Jahre 1828 eine Eisenbahn-Aktiengesellschaft im Ruhrgebiet. Diese Bahnlinie wurde dann bis 1831 erbaut und als "Prinz-Wilhelm-Eisenbahn" betrieben. Die genannte Eisenbahnlinie diente aber noch nicht dem öffentlichen Verkehr, sondern der Kohleabfuhr in diesem Gebiet. Die Spurweite dieser Erstlingsbahn betrug 610 mm.

Im Jahre 1833 erschien dann die von Friedrich List verfasste Schrift "Über ein sächsisches Eisenbahn-System als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahn-Systems und insbesondere über die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden". Die damalige deutsche Kleinstaaterei war jedoch den Plänen Friedrich Lists hinderlich. So konnte sich der Eisenbahngedanke nur schwer durchsetzen. Unter der Leitung des Nürnberger Bürgermeisters Johannes Scharrer konstituierte sich am 18. November 1833 die Gesellschaft "für die Errichtung einer Eisenbahn mit Dampf-Fahrt zwischen Nürnberg und Fürth" im Rathaussaal von Nürnberg.

Am 07. Dezember 1835 wurde diese Bahnlinie als "Ludwigs-Eisenbahn" feierlich eröffnet. Die erste Lokomotive dieser Bahn, der "ADLER" wurde aus England bezogen. Dadurch war man gezwungen, die in England gebräuchliche Spurweite von 1435 mm zu übernehmen, die auch der Spurweite der damaligen Postkutschen entsprach.

Im Jahre 1834 konstituierte sich dann ein Komitee für die Anlage einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden. Bis 1839 wurde diese Bahnlinie erbaut, auf der sich die erste deutsche Flussbrücke bei Riesa und der erste deutsche Eisenbahntunnel bei Niederau befanden. Am 07. April 1839 wurde die Bahn feierlich eröffnet. Die für diese Bahn von Professor Andreas Schubert erbaute erste deutsche Lokomotive "SAXONIA" durfte dem Eröffnungszug nur als Reservelok folgen.

Ebenfalls seit 1833 bestanden Pläne für die Errichtung einer Eisenbahnlinie von Berlin nach Potsdam. Ab 1837 wurde diese Strecke gebaut und der erste Teilabschnitt von Potsdam nach Zehlendorf konnte bereits im Frühjahr 1838 dem Verkehr übergeben werden. Am 29. Oktober 1838 konnte dann schließlich die gesamte Bahnlinie von Potsdam nach Berlin in Betrieb genommen werden. Wie auch schon bei den ersten Lokomotivbahnen wurden die ersten Lokomotiven für diese Eisenbahn aus England bezogen. Bis 1848 wurde die Eisenbahn bis Magdeburg verlängert. In den Folgejahren entstanden dann in schneller Folge weitere Eisenbahnen in den deutschen Kleinstaaten.

 

02 DIE LÄNDERBAHNZEIT

Mit dem Beginn der fünfziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts begann die Entwicklung des Signalsystems bei den damals noch privaten Eisenbahnen. Jede Eisenbahnverwaltung legte die für sie gültigen Signale willkürlich fest. Genauso war es bei der Beschaffung der Lokomotiven und Wagen. Einen Übergang der Wagen von einer Bahnverwaltung zur Anderen gab es anfänglich nicht, zudem diesem Austausch auch die damals im Deutschen Reich bestehenden Zollgrenzen im Wege waren. Nach und nach verdichtete sich das Eisenbahnnetz in den deutschen Ländern.

Da sich neue Eisenbahnen nicht mehr auf privater Basis finanzieren ließen, übernahmen die Länder den Bau neuer Eisenbahnstrecken. Desweiteren versuchten die Länder, die für sie wichtigsten Strecken zu erwerben. Dadurch entstanden dann die ausgedehnten Länderbahnnetze. Die Landesregierungen erließen auch Vorschriften zum Bau und Betrieb der Eisenbahnen. Speziell Preußen strebte nach einem einheitlichen deutschen Eisenbahnnetz. Unter der Führung Preußens kam es bekanntlich auch 1871 zur Reichsgründung. In den achtziger und neunziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts wurden die preußischen Normalien für Lokomotiven und Wagen entwickelt, die dann auch zum großen Teil durch die anderen Länderbahnen - außer Sachsen und Bayern - übernommen wurden. Die wohl bekanntesten Lokomotiven dieser Zeit dürften die unter der Leitung von Robert Garbe 1908 geschaffene Lok der Gattung P 8 (später BR 38.10) für die preußische Staatsbahn sein. Bei der sächsischen Staatsbahn dürfte es die Lok der Gattung XXHV (die spätere BR 19.0) und bei der königlich-bayerischen Staatsbahn die Lok der Gattung S 3/6 (die spätere BR 18.3) sein. Nicht unerwähnt bleiben sollen hier die Rekordlokomotiven der preußischen und bayerischen Staatsbahnen. Bei der preußischen Staatsbahn waren es die von Henschel erbauten vollverkleideten Lokomotiven "ALTONA 561" und !ALTONA 562", die zum Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts an die preußische Staatsbahn geliefert wurden. Die Lokomotiven erreichten 1905 die damals beachtliche Geschwindigkeit von 144 km/h. Im Jahre 1905 wurde durch die Lokomotivfabrik Maffei in München eine Lokomotive der bayerischen Gattung S 2/6 erbaut und unter der Fabriknummer 2519 im Jahr 1906 an die bayerische Staatsbahn ausgeliefert. Mit der Lokomotive wurde eine Geschwindigkeit von 154,5 km/h erreicht. Heute steht diese Lokomotive neben der Lokomotive 05  001 im Verkehrsmuseum Nürnberg.

In einer anderen Sicht waren die Lokomotiven einer privaten Eisenbahngesellschaft bahnbrechend. Gemeint sind hier die Lokomotiven der "Tierklasse" der Halberstadt-Blankenburger-Eisenbahn-Gesellschaft. Durch diese Lokomotiven war es möglich den Zahnradbetrieb auf der Rübelandbahn einzustellen. Diese Lokomotiven dienten dann auch als Vorbild für die späteren Lokomotiven der Gattung T 20 der preußischen Staatsbahn (BR 95 der DR).

Dieser Teil soll nicht beendet werden, ohne auf das Los der Eisenbahner einzugehen. Sie wurden anfänglich auf den jeweiligen Landesherren eingeschworen und hatten bei minimalsten Löhnen 12 bis 16 Stunden täglich zu arbeiten. Ebenso gab es bis in unsere Zeit hinein kaum soziale Einrichtungen.

 

03 DIE REICHSBAHNZEIT

Während des ersten Weltkrieges stellte sich heraus, das die Lokomotiven und Wagen der deutschen Länderbahnen, trotz der bestehenden Normalien sehr unterschiedlich waren. So kam es im ersten Weltkrieg zur Entwicklung der preußischen G 12, die durch alle Länderbahnen übernommen wurde. Man kann diese Lokomotivbaureihe also als Vorläufer der Einheitslokomotiven sehen. Ebenso war die etwas später entwickelte Lok der preußischen Gattung P 10 (die spätere BR 39) überall im damaligen Deutschen Reich anzutreffen.

Nachdem am 01. April 1920 die Deutsche Reichsbahn auf Grund der im ersten Weltkrieg gemachten Erfahrungen gegründet worden war, stand man vor der Aufgabe den vielfältigen Lokomotiv- und Wagenpark der ehemaligen deutschen Länderbahnen zu vereinheitlichen.  Aus  diesem  Grund  wurde  auf Anregung der Deutschen Reichsbahn am 01. November 1922 das Vereinheitlichungsbüro in Berlin gegründet, dem auch Vertreter der Industrie angehörten. Der vorläufige Lokausschuss dieses Vereinheitlichungsbüros entwickelte dann ab 1923 eine Lokomotivtypenreihe für eine Achsfahrmasse von 20 Mp aus den vorliegenden Entwürfen der Industrie. Nicht unerwähnt soll hier die eisenbahntechnische Tagung und Ausstellung in Seddin bei Berlin bleiben, die im Jahr 1924 stattfand und wo die ersten Ergebnisse der Vereinheitlichung veröffentlicht wurden. Desweiteren wurde die Deutsche Reichsbahn im Jahre 1924 in ein staatlich gesteuertes Privatunternehmen umgewandelt, da die Eisenbahn für einen großen Teil der Reparationsleistungen aus dem ersten Weltkrieg aufkommen sollte.

Im Jahre 1925 wurden die ersten Einheitslokomotiven geliefert und der Deutschen Reichsbahn übergeben. Es handelte sich dabei um die Baumusterlok der Baureihen 01 und 02. Ab 1928 wurde dann die Baureihe 01 in Serie beschafft. Diesen Lokomotivbaureihen folgten später Weitere. So wurde ab 1930 die Baureihe 44 für den Güterzugdienst beschafft. Da auf Grund der Wirtschaftslage des Deutschen Reiches der geplante Ausbau der Hauptstrecken für 20 Mp nicht wie geplant durchgeführt werden konnte, wurde das Beschaffungsprogramm von 1925 erweitert und ab 1930 die Baureihe 03 beschafft.

Desweiteren wurde  in den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts die bereits zur Länderbahnzeit begonnene Elektrifizierung der Hauptstrecken fortgesetzt.

Mit dem Beginn der dreißiger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts wurden auch die ersten Schnelltriebwagen mit Verbrennungsmotoren entwickelt. Erinnert sei hier an den "Fliegenden Hamburger". Da die Lokomotivindustrie dabei nicht auf der Strecke bleiben wollte, kam es zu derselben Zeit zur Entwicklung der ersten Stromlinienlokomotiven.

Während der Herrschaft der Hitlerdiktatur in Deutschland wurde die Deutsche Reichsbahn wieder direkt dem Staat unterstellt und musste sich den Zielen der Nazis unterordnen. Aber auch zu dieser Zeit ging die in den zwanziger Jahren begonnene Entwicklung weiter. Genannt sei hier nur die weitergeführte Entwicklung der Stromlinienlokomotiven der Baureihen 01.10 und 03.10. Im Jahre 1935 wurde auch die erste Ellok der Baureihe E 18 geliefert.

Diese Entwicklung wurde aber durch den Beginn des zweiten Weltkrieges 1939 eingestellt. Die Deutsche Reichsbahn hatte sich jetzt verstärkt den Bedürfnissen der faschistischen Wehrmacht unterzuordnen. Während des Krieges wurde die Eisenbahn zum Transport der Häftlinge in die Konzentrationslager und der in den besetzten Gebieten geraubten Güter mißbraucht. In den Kriegsjahren wurden die Lokomotiven der Baureihen 42 und 52 als sogenannte Kriegslok entwickelt, um den verstärkten Bedarf an Lokomotiven decken zu können.

Je länger jedoch der von den Faschisten entfesselte Weltkrieg dauerte, jemehr schlug er auf das faschistische Deutschland zurück. So kam es auch bei den Fahrzeugen und auf den Bahnanlagen zu großen Zerstörungen. Nicht unerwähnt bleiben soll aber auch, das auch die Faschisten selbst Bahnanlagen und Fahrzeuge als militärisch wichtige Ziele zerstören ließen.

 

04 DER NEUBEGINN

Durch den von Faschisten entfesselten zweiten Weltkrieg wurden der größte Teil der Bahnanlagen und Fahrzeuge zerstört, so das ein Verkehr nicht mehr möglich war. Vielerorts gingen die Eisenbahner nach der Beendigung der Kampfhandlungen daran die Bahnanlagen und Fahrzeuge wieder instandzusetzen und den Verkehr wieder aufzunehmen. Sie wurden dabei von den Angehörigen der jeweiligen Besatzungsmacht unterstützt. Auf den Befehl Nummer 8 vom 08. August 1945 der SMAD hin wurden die Eisenbahnen in die Hände der deutschen Eisenbahner überführt. Durch diesen Befehl wurde weiterhin die Bildung von acht Reichsbahndirektionen verfügt, die durch die ebenfalls neu gebildete Hauptverwaltung Verkehr beaufsichtigt wurden. Auf Grund der durch die faschistische Wehrmacht in der SU angerichteten Zerstörungen wurde ab 1946 damit begonnen, auf vielen Strecken die zweiten Gleise und andere Technik zur Wiedergutmachung zu demontieren. Desweiteren musste im Sommer 1946 der elektrische Zugbetrieb im mitteldeutschen Raum wieder eingestellt werden, da diese Anlagen ebenfalls demontiert wurden.

Nach der Gründung der DDR am 07. Oktober 1949 wurde das Ministerium für Verkehrswesen gebildet und übernahm auch die Leitung der Eisenbahnen. In dieser Zeit wurden die noch in der Hand der Städte, Gemeinden und Kreise befindlichen ehemaligen Privatbahnen in den Besitz der DR überführt.

Bereits im Sommer 1949 gab es bei der DR die ersten Pläne für die Elektrifizierung der Strecken. Vorgesehen war die Strecke von Zwickau über Aue nach Johanngeorgenstadt, da in diesem Gebiet auf Grund des Ausbaus der Wismut der Verkehr stark angestiegen war. Dieses Projekt scheiterte aber auf Grund der hohen Investitionskosten und nicht vorhandenen Mittel.

Am 01. September 1955 wurde dann auf der Strecke von Halle/Saale nach Köthen der elektrische Zugbetrieb wieder aufgenommen. In den Folgejahren wurde das elektrisch betriebene Streckennetz kontinuierlich ausgebaut. 1957 war die Gesamtstrecke von Halle/Saale nach Magdeburg wieder elektrisch befahrbar und ein Jahr später die Strecke von Leipzig über Bitterfeld nach Dessau. Die für den elektrischen Betrieb benötigten Ellok wurden durch das Raw Dessau aufgearbeitet.

In den fünfziger Jahren entstanden bei der DR auch die letzten Neubaudampflokomotiven. Zum Anfang dieses Zeitraumes wurden die Lok der Baureihen 65.10 und 83.10 entwickelt. Kurze Zeit später folgten die beiden Versuchslok 25  001 und 25 1001, wobei Letztere mit einer Kohlenstaubfeuerung nach dem System des Nationalpreisträgers Hans Wendler ausgerüstet worden war. Mit dieser Kohlenstaubfeuerung wurden später auch etliche Güterzugdampflokomotiven ausgerüstet.

In der Mitte der fünfziger Jahre wurden dann die Lok der Baureihen 23.10 und 50.40 entwickelt und ab 1957 in Serie gebaut. Die Lok 50 4088 war die letzte in der DDR gebaute Neubaudampflok. 

Abschliessend noch einige Bemerkungen zur Entwicklung der Eisenbahnen im Westteil Deutschlands. Hier befanden sich die Eisenbahnen nach Kriegsende in der Hand der westlichen Besatzungsmächte, die danach trachteten die Eisenbahn wieder zu einem Monopolbetrieb zu gestalten. So entstanden bis 1947 die "Deutsche Reichsbahn im vereinten Wirtschaftsgebiet" in den von der USA und Großbritannien besetzten Landesteilen. In der französisch besetzten Zone entstand die "Betriebsvereinigung der Südwestdeutschen Eisenbahnen" und die Eisenbahndirektion Saarbrücken. Nach der Gründung der BRD am 07. September 1949 wurden die drei bestehenden Eisenbahnverwaltungen zur Deutschen Bundesbahn zusammengefasst. Die formelle Zusammenschließung erfolgte aber erst laut Bundesbahngesetz vom 13. Dezember 1951.

 

Anmerkungen aus heutiger Sicht: Die im oben stehenden Text erwähnten Demontagen der Bahnanlagen in der ehemalig von der SU besetzten Zone waren eine eklatante Verletzung des Potsdamer Abkommens - in diesem Abkommen war beschlossen worden, das die Reparationsansprüche der Siegermächte nicht aus dem Verkehrswesen abgedeckt werden sollen. Nach der Wende und der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 wurden dann am 01. Januar 1994 die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Reichsbahn zur Deutschen Bahn Aktiengesellschaft wiedervereinigt. Desweiteren wurde zu DDR-Zeiten immer wieder die angebliche Hilfe der SU bei den ersten Elektrifizierungen gewürdigt. Die SU hat aber der DR nur Anlagen und Fahrzeuge aus den Reparationsleistungen von 1946 zurückgegeben, die zudem unbrauchbar waren und erst wieder mühevoll aufgearbeitet werden mussten. Bei dem zurückgegebenen Anlagen und Fahrzeugen handelte es sich um Material, das in der SU auf der Erzbahn Workuta eingesetzt werden sollte, sich dort aber nicht als geeignet erwiess.

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